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Erkenntnistheoretische Aspekte in Hugo von Hofmannsthals
"Chandos-Brief" ***
von
Gaby Divay
University of Manitoba, Archives & Special Collections

© e-Edition, June 2005


"Brief des Lord Chandos"
TEXT

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Archives & Special Collections

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Bevor wir uns dem Thema der gegenwärtigen Arbeit zuwenden, halten wir es für erforderlich, Hofmannsthals "Chandos-Brief" und die Umstände seiner Entstehung einer eingehenden Analyse zu unterziehen. Danach wollen wir uns vor allem mit der Problematik der Ich-Fremdheit und des damit zusammenhängenden Sprachzerfalls beschäftigen, die uns für den erwähnten Text zentral erscheint. Sie klingt auch mehrfach in Hofmannsthals Frühwerk an und ist wohl sogar symptomatisch für das Lebensgefühl seiner ganzen Epoche. Die Weltanschauung des erkenntnistheoretischen Skeptizismus und der atomistischen Physik Ernst Machs, des "klassischen Philosophen des Impressionismus" (Friedell, Bd.3, S.444), scheinen den Auflösungserscheinungen des "Briefes" in erstaunlicher Weise zu entsprechen.        

Bei dem kurzen Prosa-Stück, das erstmals 1902 in der Berliner Zeitschrift Der Tag veröffentlicht wurde, handelt es sich um einen fiktiven Brief. Formal knüpft Hofmannsthal dabei an ein antikes Beispiel an: in einer seiner Episteln erklärt Horaz seinem Freund Florus, daß er auf lyrische Betätigung in Zukunft verzichten werde, um sich dem wahren Leben zuwenden zu können (Kühn, S.24). Indem Hofmannsthal die erfundene Gestalt  Philipp Lord Chandos an den historischen Francis Bacon schreiben läßt und den Brief auf den 22. August 1603 datiert, wählt er als Stil-Modell die kunstvolle rhetorische Ausdrucksweise des frühen 17. Jahrhunderts. Wie er in einem Brief vom 16. 1. 1903 seinem Freund Leopold von Andrian erklärt, haben ihm dabei die Essays Bacons als Inspirationsquelle gedient: "Ich blätterte im August öfter in den Essays von Bacon, fand die Intimität dieser Epoche reizvoll, träumte mich in die Art und Weise hinein, wie diese Leute des XVIIten Jahrhunderts die Antike empfanden, bekam Lust etwas in diesem Sprechton zu machen... Ich dachte und denke an eine Kette ähnlicher Kleinigkeiten." (HvH./A, S.160).        

Wie Horaz begründet auch Lord Chandos das Einstellen seiner literarischen Tätigkeit, wenngleich seine Gründe dafür weniger kühl überlegt klingen und sogar ausgesprochenen Krisencharakter haben. Inwieweit die Gemütszustände des englischen Lords denen seines Autors entsprechen, ist ein heiß umstrittener Punkt in der Hofmannsthal-Literatur. Insbesondere die Frage, ob der "Chandos-Brief" sozusagen Katharsis-Funktion hat und einen Wendepunkt in Hofmannsthals Schaffen darstellt, hat erbitterte Diskussionen ausgelöst. Der autobiographische Hintergrund des Briefes wird von einigen Autoren besonders hervorgehoben, von anderen dagegen zugunsten rein künstlerischer Absichten völlig zurückgestellt. Werden autobiographische Zusammenhänge anerkannt, so wird ihnen die verschiedenste Bedeutung zugemesse. So wird häufig Lord Chandos mehr oder weniger stillschweigend mit Hofmannsthal gleichgesetzt, mit Hinweis auf die gut dokumentierten depressiven Phasen in dessen Leben.

Sprachskepsis und Ich-Krisen, Seins- und Vergänglichkeitsproblematik in Hofmannsthals Werk und Korrespondenz vor und nach dem "Chandos-Brief" werden herangezogen, um die Identität von Erzähler und Autor zu untermauern. Da Lord Chandos aber aufhört sich literarisch zu betätigen, Hofmannsthal sich dagegen weiterhin als höchst produktiv erweist, wird dem Kunstwerk eine therapeutische Funktion zugeschrieben, die sich bei Erwin Kobel (S.141) etwa folgendermaßen anhört: "Indem Hofmannsthal den "Chandos-Brief" dichtet, hat er dem Dichtertum entsagt und es zugleich wieder, in einem neuen Sinn, ergriffen." Damit wird auf die Tatsache angespielt, daß Hofmannsthal bis etwa 1902 hauptsächlich lyrisch, danach aber hauptsächlich dramatisch gedichtet hat. Auch Hermann Broch in seiner ausgezeichneten Studie "Hugo von Hofmannsthal und seine Zeit" vertritt die Katharsis-Auffassung, und verbindet mit der Entstehung des ""Chandos-Briefes"" sowohl die Absage an die Lyrik und den Ästhetizismus, als auch die Hinwendung zur volkshaften  Prosa und Dramatik (S.124). Broch geht sogar so weit, den Lord Chandos-Hofmannsthal für schizophren zu erklären (S.120), und Gotthart Wunberg in seinem Buch Der frühe Hofmannsthal (S.3) folgt ihm in diesem Urteil ohne viele Umschweife.        

Karl Pestalozzi (S.126), Paul Kluckhohn und Paul Requadt (S.50) sehen ebenfalls im "Chandos-Brief" den Ausdruck "einer schweren Krise" und das "Dokument einer entscheidenden Wandlung" (Kluckhohn, S.79). Pestalozzi sieht darin eine Überwindung "des magischen Sprechens" (S.111) zugunsten einer sozial verantwortlichen Dichtung. Kluckhohn (S.9) und Requadt (S.50) betonen ebenfalls die Überleitung von der preziösen Lyrik zu einer bescheideneren Ausdrucksform in der Prosa und in den Dramen, und damit gleichzeitig von dem egozentrischen Ästhetizismus zu dem sozialen Engagement, das Hofmannsthal später die "konservative Revolution" genannt hat. Beide unterstreichen sowohl die Wichtigkeit der Sprachproblematik im Werke des Dichters, als auch ihre Kontinuität in seinem Schaffen.        

Für Franz Kuna (S.125), H. S. Schultz, Donald Daviau und Manfred Hoppe spielt der biographische Hintergrund des Autors bei der Entstehung des "Chandos-Briefes" so gut wie keine Rolle. Jedenfalls lehnen diese Kritiker eine Gleichsetzung des verstörten Lords und seines Erfinders ab und möchten die Inspiration zu dem Kunstwerk weniger in einer persönlichen Krise sprachlicher oder existenzieller Art als in dem Hang zur "artistischen Parodie" (Hoppe, S.62) oder in der Schaffung einer vergangenen Zeitatmosphäre (Schultz, S.15), also in rein ästhetischen Voraussetzungen, sehen. Donald Daviau weist sogar die Bedeutung der Sprachthematik im Brief zurück, und sieht in ihm "a warning by Hofmannsthal to his contemporaries of the dangers of aestheticism" (S.38). Joachim Kühn (S.23) findet "Davians (sic) Entmystifizierung des Briefes überzeugend", möchte aber doch der Sprachskepsis einen gewissen Platz einräumen. Er sieht wie Daviau in Hofmannsthals depressiven Perioden "in erster Linie...Nervenkrisen" (S.26). Der Sprachverfall unter dem Lord  Chandos leidet, hat seiner Meinung nach nichts mit Hofmannsthals eigenen Erfahrungen gemein, und ist nur "ein wesentlicher Bestandteil des komplizierten Spiels mit dem Paradox" (S.27). Damit verweist er auf eine häufig vorgebrachte Überlegung: es besteht ein interner Widerspruch zwischen dem Sprachverlust des Lords und seiner virtuosen Beschreibung dieser schwierigen Situation. Hofmannsthal gewinnt dieser Spannung tatsächlich "einen ästhetischen Reiz ab, ja, er steigert das Paradox ins Extreme, indem er sich nicht nur einer intakten Sprache bedient, sondern die hochstilisierte des 17. Jahrhunderts parodiert" (S.27). Hofmannsthals Sprachskepsis aber, deren Vorhandensein er im Gegensatz zu Requadt vor der Entstehung des Briefes leugnet (S.21), sei auf einen Einfluß "von außen" (S.27), nämlich der Kenntnis von Fritz Mauthners Beiträge zu einer Kritik der Sprache, zurückzuführen.        

Wir halten, was die Sprachproblematik angeht, jeden Anspruch auf eine direkte und einseitige Abhängigkeit des Briefes von Mauthner (Kühn), Mach (Wunberg), Nietzsche (Meyer-Wendt), Novalis, Kleist, Bacon, Goethe (Bennett, 1976), oder gar Wittgenstein nicht für überzeugend. Wie wir später noch näher ausführen wollen, kann es sich bei keiner dieser Vorbilder um direkte Einflüsse handeln, sondern eher um zeitbedingte und allerdings symptomatische Affinitäten. Es ist erstaunlich, wie ein so umfassend orientierter Kritiker wie Kühn mit seiner ausgezeichneten Dokumentation sich durch Voreingenommenheit für den Hauptgegenstand seiner Untersuchung zu ziemlich abwegigen Schlüssen verleiten lassen kann. Ähnliches gilt für Meyer-Wendt: wo der eine überall nur Mauthners Einfluß sieht, läßt der andere nichts als Nietzsche gelten.        

Was den "Chandos-Brief" angeht, kann man allein auf Grund der Korrespondenz einen autobiographischen Bezug unserer Meinung nach nur schwer leugnen. Ob deshalb gleich ein Identitätsbezug zwischen Hofmannsthal und Lord Chandos vorliegt, sei bis auf Weiteres dahingestellt. Jedenfalls erscheint uns zum Beispiel  Kluckhohns (S.7) Standpunkt einleuchtend, wonach sich trotz der "höfisch-humanistischen" Verkleidung eine "eigene schwere Krise" Hofmannsthals widerspiegelt, wie sie auch in Briefen an George, Andrian, und Wildgans zum Ausdruck kommt.        

Aufbau des Chandos-Briefes (HvH., Prosa I, S.7-22):

Abgesehen von der Einleitungsformel, die an eine Regieanweisung erinnert und ganz im steifen Stil der Handlungsepoche gehalten ist, nur den Sender und den Empfänger des Briefes bezeichnet und knapp die Motivation seines Entstehens umreißt, besteht das etwa 16-seitige Prosa-Kunstwerk ganz aus dem Brief des Philipp Lord Chandos an seinen Freund Francis Bacon. Im erzähltheoretischen Sinne handelt es sich also um einen Text, der von der Ich-Perspektive des Erzählers beherrscht wird. Da es sich aber um einen Brief handelt, hat auch der Adressat eine wichtige, wenn auch indirekte Funktion, die dem scheinbar reinen Monolog ausgesprochen dialogartige Züge verleiht.        

Der rein formale Aufbau des Briefes scheint einem sorgfältig durchdachten und gut ausbalancierten Verschachtelungs-Prinzip zu folgen, das sich in schematischer Weise etwa so darstellen läßt:
            Rahmen: Erklärung des Schweigens (S.7)       

                        A   Vergangene Arbeiten und Pläne (S.8-11)     

                        B   Umschlag und Krisenverlauf (S.12-14)       

                        C   Offenbarungen (S.15-18)       

                        D   Alltägliches Leben nach der Krise (S.19-21)    

            Rahmen: Abschied von literarischer Beschäftigung und Bacon (S. 22)

            Den äußeren Rahmen bilden die an Bacon gerichtete Erklärung des Lord Chandos für sein Schweigen, sowie seine Absage an zukünftige literarische Betätigung, der sich ein Abschiedswort an Bacon anschließt (je eine Seite, S.7 + S.22). Als nächste "Schachtel" fungieren Lord Chandos vergangene literarische  Erfolge und Pläne (A, S.8-11), sowie sein einfaches, alltägliches Leben zum Zeitpunkt des Briefes (D, S.19-21). Im Mittelpunkt schließlich befindet sich die Schilderung der Sprach- und Bewußtseinskrise (B, S.11-14), der die Beschreibung der mystischen Seins-Offenbarungen (C, S.15-18) gegenübersteht.        

Abgesehen von dem Bacon- und Brief-Rahmen sehen wir die folgenden, hier vorerst stark vereinfachten, inhaltlichen Beziehungen: die Vergangenheit bis zur Krise und sie einbeziehend steht unter dem Vorzeichen des Formalen (I, S.8-14). Sowohl das Erreichte, wie die Schäferspiele und das Traktat, als auch das Gewollte, wie die Henri VIII.-Chronik, die mythologischen Schriften und die Apophthegmata-Sammlung sind von einem starken Ausdrucks- und Ordnungsverlangen beherrscht (A). Die Krise selbst (B) ist ein Sprach- und Denkverfall, und bedeutet damit den Verlust des ordnenden Zusammenhanges, also die Zerstörung aller formalen oder formenden Einheit.        

Dieser traumatische Verlust wird ausgeglichen durch einen Gewinn an Substanz: die Offenbarungen (C) eröffnen Chandos den unmittelbaren Einblick in viel wesentlichere als rein formale Zusammenhänge. Und sein scheinbar so leeres und ereignisloses Leben seit der Krise (D) wiegt in Erwartung weiterer unkontrollierbarer Offenbarungszustände schwerer als das an äußerem Erfolg so reiche Leben der vier vorangegangenen Jahre. Somit bildet also Teil II (S.15-22) das Gegenstück zu Teil I was die Dichotomie Form/Substanz angeht.        

Die Phase der vergangenen Arbeiten und Pläne (A) ist außerdem von einem aktiven Wollen gekennzeichnet, während die Zeit der Offenbarungen (C) von einem passiven Erleben gekennzeichnet sind. Das Wollen hängt mit dem Schlüsselwort Trunkenheit (S.10) in Bezug auf die monistische Intuition der Vorkrisenzeit zusammen, das passive Erleben mit dem Schlüsselwort Bezauberung (S.18) in Bezug auf die nachkrisenzeitlichen Einheitsoffenbarungen. Die mystischen Zustände in Abschnitt A und C sind also qualitativ verschiedener Art.        

Analyse des Briefes:

Der erste Absatz des Briefes beginnt mit einer Anrede an Bacon, und läßt durchblicken, daß die gegenwärtige Schreibtätigkeit sich als Antwort auf dessen dem Leser unbekannten Brief versteht. Bacon hat sich offensichtlich nach dem Grund eines unerklärlichen, "zweijährigen Stillschweigens" seines Freundes erkundigt, wobei seine "Besorgnis" und "Befremdung" trotz eines leichten und sogar scherzhaften Tones zum Ausdruck gekommen sein muß. Damit ist das Signal zu der nun folgenden Selbstbeobachtung gegeben, und Lord Chandos gibt sich auch der Aufgabe hin, seine Umstände in allen Einzelheiten zu beschreiben.        

Er beginnt mit einer wehmütigen Reflexion über seine Identität: "Kaum weiß ich, ob ich noch derselbe bin, an den Ihr kostbarer Brief sich wendet." (S.7) Sein gegenwärtiger Zustand, von dem vorerst noch nichts Näheres bekannt ist, läßt sich demnach schwer mit dem der Vergangenheit vergleichen. In rhetorischen Fragen bringt er seine literarischen Erfolge, die er im Alter von 19 Jahren bis zu seinem Verstummen mit 24 Jahren vollbracht hat, zur Erinnerung und erklärt, daß sie ihm nun völlig fremd erscheinen. Bezeichnend sind die Gattungen seiner jugendlichen Leistungen: sowohl die Schäferspiele als auch das lateinische Traktat sind formbetonte Schöpfungen, die das mimetische Abbild einer heilen Welt darstellen. Chandos erwähnt in Bezug auf die Ersteren den "Prunk ihrer Worte", also ihre ästhetische Vollendung, und spricht in Bezug auf das Traktat von "Gefüge" und "geistigem Grundriß" (S.8), also einem rationalen Zusammenhalt. Zum ersten Mal kommt Chandos dann auf die Art seines Problems zu sprechen: die Worte wollen ihm gegenwärtig keine kohärente Aussage mehr bilden, sondern erscheinen ihm einzeln, isoliert und zusammenhangslos. Er bezeichnet die Rhetorik, die er früher so virtuos handhaben konnte, als ein "überschätztes Machtmittel" und spricht ihr die Möglichkeit ab, "ins Innere der Dinge zu dringen" (S.8). Ebensowenig wie der Text sich nun als Einheit erfassen läßt, kann er die vergangenen Phasen seines Ich in einen festen Zusammenhang bringen. "Ein brückenloser Abgrund" trennt ihn von seinen literarischen Arbeiten, die doch immerhin einmal Ausdruck seiner selbst waren.        

Bacons Brief hat ihm seine Pläne wieder in Erinnerung gerufen: alle werden mit "ich wollte" eingeleitet. Wieder sind diese Vorhaben bedeutungsvoll. In der Darstellung der Regierungszeit Heinrich des Achten sah er die Möglichkeit, historische Fakten mit perfekter Form zu einer höheren Einheit zu gestalten. Dem Formalen sprach er also auch in dieser geplanten Chronik eine ordnende Kraft zu, die nach seinen Worten das Stoffliche nicht nur anordnen, sondern auch durchdringen sollte. Das Gelingen dieser höheren, wesenhaften Einheit nennt er seinen Lieblingsplan (S.9).        

Zwei weitere Pläne weisen fast mystische Züge auf: durch tiefes Hineinversenken in die Fabelwelt und in mythologische Gestalten meinte er deren "geheime, unerschöpfliche Weisheit" wie Hieroglyphen zu entschlüsseln, also intuitiv verstehen und dann vermitteln, zu können: "verschwinden wollte ich in ihnen und aus ihnen heraus mit Zungen reden" (S.10). Und in einer wahrhaft enzyklopädischen Sammlung von Apophtegmata mit dem Titel "Nosce te ipsum" sollte Welt- und Naturerkenntnis mit Selbsterkenntnis zusammenfallen und damit einer zutiefst monistischen Intuition Ausdruck verleihen. Chandos beschreibt seinen Zustand so: "Mir schien damals in einer Art von andauernder Trunkenheit das ganze Dasein als eine große Einheit: geistige und körperliche Welt schien mir keinen Gegesatz zu bilden...; in allem fühlte ich Natur...; überall war ich mitten drinnen...; es ahnte mir, alles wäre Gleichnis und jede Kreatur ein Schlüssel der andern." (S.11). Dieser Verfassung, der die literarischen Arbeiten und Pläne mit ihrer zusammenfassenden, formgebenden Absicht direkt entsprechen, steht im absoluten Gegensatz zu Chandos gegenwärtigen Zustand. Wie das Wort "Trunkenheit" schon andeutet, hat eine tiefgreifende Ernüchterung dem paradiesischen Einheitsgefühl ein Ende bereitet. Die früheren Anstrengungen kommen ihm nun wie "aufgeschwollene Anmaßung" vor (S.11). Fast möchte er in seiner jetzigen Mutlosigkeit eine "göttliche Vorsehung" am Werke sehen, wohl eine Art Demuts-Lektion, aber er weist diese religiöse Auslegung letztlich doch ab. Wie die Begriffe gehört auch die Religion "zu den Spinnennetzen, durch welche meine Gedanken hindurchschießen, hinaus ins Leere" (S.12). Menschliche und geistliche Ordnungsparameter versagen also, sie bieten keinen Halt mehr: statt einem warmen, schützenden Mantel (S.12) zu gleichen, erscheinen sie als zerbrechliche und durchlässige Spinnengewebe, die Chandos der Kälte und dem Nichts preisgeben.    

Damit endet die erste Phase (A) des Briefes, in der Chandos seine glückliche und harmonische Vergangenheit seiner problematischen Gegenwart gegenüberstellt. Deren Hauptmerkmal ist der Verlust des Seins-Zusammenhanges, was sich symptomatisch in der Unfähigkeit "zusammenhängend zu denken oder zu sprechen" bemerkbar macht (S.12).

Im nächsten Abschnitt (B) beschreibt Chandos, wie ihm in zunehmenden Maße die Fähigkeit der Sprache abhanden kommt, bis die Worte ihm schließlich nichts als völlig beziehungslose Einheiten bedeuten. Zuerst bemerkt er ein "unerklärliches Unbehagen" sich abstrakter Begriffe zu bedienen. Sie haben eine "schillernde Färbung" und fließen ineinander über, erlauben also keinen eindeutigen Bezug mehr, und sie zerfallen ihm "im Munde wie modrige Pilze" (S.12-13). Diese Metapher für den Sprachzerfall verleiht dem Auflösungsprozess einen Beigeschmack von Verwesung. Das wechselseitige und verbindliche Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit erscheint ihm unter dem Hauptgesichtspunkt der Lüge (S.13, 14), der es aber nicht ausreichend zu erfassen weiß. Es ist für Chandos sozusagen dem Tod anheimgefallen und befindet sich im Zustand der weitgehender Zersetzung. Ein ähnliches Bild bietet die  Ausbreitung der Sprachkrise als "ein um sich fressender Rost" (S.13): es handelt sich nicht nur um einen Verlust der Form (Sprache), sondern auch der Substanz (der Wirklichkeitsbezug), die angegriffen und zerstört wird.        

Nach den abstrakten Begriffen sind es die "Urteile" die Chandos zu schaffen machen, und zwar solche, die eigentlich Werturteile und oft genug Vorurteile sind. Alle zeichnen sich durch ihren subjektiven und relativen Charakter aus, was sich in Gegenpolen wie gut-schlecht, bedauern-beneiden, Höhe-Hinabsinken (S.13) ausdrückt. Sie erscheinen Chandos ganz besonders "unbeweisbar", "lügenhaft", und "löcherig" (S.14).        

Es ist anhand dieser besonders unsicheren Prädikate für den Menschen und seine Handlungen, daß ihm schließlich jeglicher Zusammenhang abhanden kommt, so wie unter der Lupe der Gesamteindruck zugunsten von Einzelheiten verloren geht: "Es gelang mir nicht mehr, (die Menschen und ihre Handlungen) mit dem vereinfachenden Blick der Gewohnheit zu erfassen. Es zerfiel mir alles in Teile, die Teile wieder in Teile, und nichts mehr ließ sich mit einem Begriff umspannen. Die einzelnen Worte schwammen um mich... Wirbel sind sie, die sich unaufhaltsam drehen und durch die hindurch man ins Leere kommt" (S.14). Zwei Eindrücke überlagern sich in dieser brillianten Beschreibung des totalen Sinn-Verlusts in der Realität und Sprache: das Auseinanderfallen in unendlich viele, zusammenhangslose Teilchen hinterläßt den optischen, relativ statischen Eindruck von einem Trümmerhaufen. Diese Atomisierung erinnert unwillkürlich an die pointillistische Maltechnik des Neo-Impressionismus, wo ebenfalls unverbundene Tüpfchen einen Gesamteindruck nur aus einer gewissen Entfernung gestatten. Der andere Eindruck ist der des Fließens, der zwar auch primär optisch ist, in seiner plastisch beschriebenen Dynamik vom Schwimmem zum Drehen der Wirbel aber den Leser an der Bewegung, die Lord Chandos erfaßt, fast taktil teilhaben läßt.         

Die Leere oder das Nichts, in die sich Chandos hineingezogen fühlt, deuten auf die tiefe Einsamkeit und Isolierung seiner beziehungslos gewordenen Existenz hin. Die Dinge sind chaotisch, wenn Denken und Sprache in ihren ordnenden, sinnnschaffenden Funktion versagen. Die Gleichsetzung von Denken und Sprechen hat Chandos früher in der Beschreibung seines Zustandes vollzogen (S.12).  Der Versuch des Lord Chandos, sich an den beiden klassischen Meistern der Rhetorik, Cicero und Seneca, und der von ihnen vermittelten "Harmonie begrenzter und geordneter Begriffe" (S.14) einen letzten Halt zu verschaffen, schlägt fehl. Diese Begriffe scheinen es nur "miteinander zu tun" zu haben, und sie kommen ihm vor wie "augenlose Statuen" (S.15), was soviel bedeutet, daß sie blind sind und das wesentliche der Realität nicht erfassen. Interessanterweise verwirft er von vornherein den Einfall, eventuell auch bei Platon Hilfe zu suchen. "Mir graute vor der Gefährlichkeit seines bildlichen Fluges", sgat er dazu (S.14). Vielleicht versprechen ihm Platons feste und unwandelbare Begriffe mit ihrer Verankerung in einer übersinnlichen Welt wenig Aussicht auf die Lösung eines diesseitigen und alles andere als ideal erlebten Chaos der Begriffe. Jedenfalls resigniert er, und versucht sich so gut wie möglich in sein verändertes Dasein hineinzufinden.        

Nach der beredten Beschreibung seiner Krise wendet sich Lord Chandos nun zum erstenmal wieder direkt an seinen Freund und schildert ihm seine monoton dahinfließende Existenz (Phase C und D). Er bezeichnet sie als geistlos und gedankenlos (S.15). Unterbrochen wird sie von Augenblicken, in denen ihm oft ganz alltägliche Gegenstände zu einer Offenbarung werden. Für diese Erlebnisse scheint ihm keine Beschreibung möglich. Augenblicke, die man auch als Dingmystik bezeichnen könnte, werden in der Kritik allgemein mit dem Begriff der Epiphanie umschrieben, seitdem Theodor Ziolkowski diesen von James Joyce entlehnt und unter anderem auch auf den "Chandos-Brief" angewandt hat (Ziolkowski, S.603). Ein Merkmal der Epiphanie ist "die analytische Nüchternheit der Betrachtung" (S.608) mit der das Offenbarungs-Erlebnis kommentiert wird.        

Lord Chandos unterstreicht, daß es nicht in seiner Gewalt steht, diese Momente herbeizuführen (S.15). Sie sind also vom Wollen unabhängig. Eine "Zusammensetzung von Nichtigkeiten", wie zum Beispiel eine Gießkanne mit ein schwimmender Käfer, kann ihn unmittelbar mit der "Gegenwart des Unendlichen durchschauern" (S.15).        

Obwohl sie nicht absichtlich herbeigeführt werden können, scheinen diese Zustände doch von einer besonderen Art des Sehens abhängig zu sein, die in der Bereitschaft liegt, unbedeutende Dinge zu würdigen "über die sonst ein Auge mit selbstverständlicher Gleichgültigkeit hinweggleitet" (S.15). Manchmal hat Chandos auch die Vision "eines abwesenden Gegenstandes", und als Beispiel beschreibt er die Vorgänge in seinen Milchkellern, in denen Ratten vergiftet werden unter Todesqualen zugrunde gehen. Es ist mehr als eine Vision: "Alles war in mir" (S.16), sagt Chandos und tatsächlich ist an seiner Beschreibung nicht nur der Seh-Sinn, sondern auch alle anderen Sinne beteiligt, so daß er berechtigterweise von einem totalen "Anteilnehmen" und "Hinüberfließen" sprechen kann, und von einem "Fluidum des Lebens und des Todes, des Traumes und des Wachens" (S.17). Chandos vergleicht diese visionären Vorgänge mit der Zerstörung von Alba Longa, also Roms, und dem brennenden Karthago aus der Geschichtsschreibung des Livius, und empfindet auch diese historischen Schilderungen in einer Art intensiver Überlagerung mit den Ratten in seinen Kellern als "vollste erhabenste Gegenwart" (S.16). Sowohl Broch (S.112) als auch Kraft (S.21) haben darauf hingewiesen, daß Hofmannsthal außerordentlich sensibel in der Vorahnung kommender Ereignisse war. Vielleicht kann man in diesen apokalyptischen Zerstörungsszenen eine Vision der Kriegsgreuel des Ersten oder selbst des Zweiten Weltkrieges sehen, wie Kraft meint.        

Anhand dieser Erlebnisse kann Chandos wieder "die ganze Welt durchwebende Harmonie" erleben, diesmal allerdings auf eine andere Art als in seinem Vor-Krisenzustand,: "Es erscheint mir alles, alles, was es gibt, alles, dessen ich mich entsinne, alles, was meine  verworrensten Gedanken berühren, etwas zu sein" (S.18). Sein Körper scheint ihm "aus lauter Chiffern, die (ihm) alles aufschließen" zu bestehen, und er hat das Gefühl, in jegliche Materie hinüberfließen zu können.        

Zwei wesentliche Unterschiede bestehen zwischen den Einheits- Erfahrungen vor und nach der Krise: die ersteren Erlebnisse waren das Resultat eines bewußten Wollens, eines angestrengten Sich-Hineinversetzens, und ihr Ziel war der Schlüssel zur Formgebung und perfekten Ausdrucksweise. Die jetzigen Erlebnisse sind vom Willen unabhängige Offenbarungen, sie sind ein passiv erwartetes Erleben, und was die "Chiffern" entschlüsseln können ist substanz-, nicht formbestimmt. Anstatt mit der Sprache zu beschreiben, wird jetzt mit dem Herzen gedacht, und darin liegt ein völlig anderes, "neues, ahnungsvolles Verhältnis zum ganzen Dasein" (S.18). Chandos betont übrigens, daß er nicht weiß, ob er diese "sonderbaren Zufälle" (S.19) dem Geist oder dem Körper zurechnen soll. Das weist ebenfalls auf die seinsmäßige Einheit hin, und steht in weiterem Gegensatz zu der intellektuell- und sprachbetonten Periode der literarischen Arbeiten und Pläne.        

Chandos betont außerdem, daß gerade die einfachen Dinge in ihrer "stummen Wesenheit" die "Quelle jenes rätselhaften, wortlosen, schrankenlosen Entzückens" bilden (S.20). Nicht der gestirnte Himmel oder das majestätische Dröhnen der Orgel, sondern ein Hirtenfeuer, oder das Zirpen der Grillen lösen seine Zustände aus. Diese Einsicht läßt ihn an die Anekdote des Crassus und seiner Muräne denken, wobei ihm nicht ganz klar wird, warum er in Crassus "ein Spiegelbild (seiner) Selbst" sieht (S.20). In dieser "Figur, deren Lächerlichkeit und Verächtlichkeit mitten in einem die erhabensten Dinge beratenden... Senat" so offensichtlich erscheint, findet er einen Schlüssel, der ihm über ein wortloses Denken hin Frieden verleiht: "Um das Ganze ist eine Art fieberisches Denken, aber Denken in einem Material, das unmittelbarer, flüssiger, glühender ist als Worte. Es sind gleichfalls Wirbel, aber solche, die nicht wie die Wirbel der Sprache ins Bodenlose zu führen scheinen, sondern irgendwie in mich selber und in den tiefsten Schoß des Friedens." (S.21). Das Schlüsselerlebnis liegt eindeutig in dem Gegensatz von dem scheinbar Unbedeutenden und dem scheinbar Erhabenen, also in dem In-Frage-Stellen oder der Relativierung des gängigen Wertmaßstabes. Eine Muräne zu lieben, "einen dumpfen, rotäugigen, stummen Fisch" (S.20), kann außerhalb der gängigen menschlichen Wertsetzung durchaus den richtigen Weg zur tieferen Bedeutung scheinbar unbedeutender Dinge zeigen und damit die Einheit allen Seins würdigen. 

Nach dieser Schilderung wendet sich Lord Chandos erneut an seinen Freund, und erklärt ihm höflich und "nicht ganz ohne ein schmerzliches Beigefühl" (S.22), warum er auch in Zukunft jeder literarischen Tätigkeit entsagen müsse. Der Grund liege in dem Wissen um eine Sprache "in welcher die stummen Dinge zu (ihm sprächen)" (S.22), und die mit der englischen, italienischen, spanischen, oder lateinischen Sprache nicht das Geringste gemeinsam habe. Mit anderen Worten: Lord Chandos weiß von einer Sprache, die direkt mit dem Sein in Verbindung steht, und die ihm, auch wenn er sich ihrer zugegebenermaßen nicht bedienen kann, ihm doch wichtiger als die formvollendetsten menschlichen Wortgebilde erscheint.     

Daraufhin verabschiedet er sich von Francis Bacon in einem vollendet höfischen, gewisserrmaßen aalglatten, preziösen Stil, der eine gewisse Kälte oder Gleichgültigkeit nur notdürftig verdeckt.        

Kommentar zum Brief:

Anders als Wunberg (S.106), der für die Wahl Bacons als Emfpänger des Briefes schlicht den historischen Bacon akzeptiert und sich fast krampfhaft bemüht, hierfür mehr oder weniger überzeugende Gründe anzuhäufen, behauptet Joachim Kühn ohne Umschweife: "Bacon ist eine Maske für [Stefan] George" (S.25).  Differenzierter drückt sich Paul Requadt aus: "Verschiedene Umstände lassen es zu, als ein Modell der Baconfigur George anzuwenden. Wenn Chandos den Adressaten an `die gemeinsamen Tage schöner Begeisterung' erinnert, so ist mit dieser Anspielung auf Georges Widmung der Pilgerfahrten an ihn...eine solche Ähnlichkeit anzunehmen" (S.50).

Von den vielen Spekulationen über die Figur des Lord Chandos scheint uns vor allem die von Franz Kuna (S.122) interessant, wonach der Lord Züge von Maurice Barres Ich-Erzähler Philippe in der Trilogie Le culte du moi aufweist. Hofmannsthal hat diesen Roman 1891 in der Modernen Rundschau besprochen, und den Erzähler in einer Weise charakterisiert, die tatsächlich frappierende Übereinstimmungen mit Philipp Lord Chandos aufweist, und über die vielleicht nicht zufällige Namensgleichheit PhilippePhilipp weit hinausreicht. Die folgenden Zitate mögen dies veranschaulichen: "Philippe verlangt, dem individuellen Wollen zu entfliehen, unterzutauchen ins Allgemeine,... mitzuschwingen im Rhythmus des Universums" (HvH, Prosa I, S.52). "Sein Selbst erlischt,...das Ich, Möglichkeit alles Empfindens, wird zum Ich, Totalität alles Erkannten" (id., S.57). "Für Philippe ist die ganze Welt nur eine ideologische Karte: ein Schlüssel der Analogie, der ihm sein Inneres deuten hilft" (id., S.55). Soweit für die monistischen, oder wie Hofmannsthal sagt, "pantheistischen" (id., S.51) Anklänge. Aber auch an krisenhafter Verlorenheit fehlt es nicht: so bezeichnet Hofmannsthal Philippe als einen "einsame(n) Mensch(en)" (id., S.49), zitiert den Satz "Je suis perdu dans le vagabondage, ne sachant où retrouver l'unité de ma vie" (id., S.57), und identifiziert sich mit der Zusammenfassung eines desolaten Existenzgefühls in Barrès Roman: "ein Mittelpunkt fehlt... Das Leben ist uns ein Gewirre zusammenhangloser Erscheinnungen... Erstarrte Formeln stehen bereit, durchs ganze Leben trägt uns der Strom des Überlieferten" (id., S.48). Man kann in Anbetracht dieser Analogien wohl Kuna (S.121) in der  Annahme beipflichten, daß diese Rezension sich wie "eine vorläufige, noch etwas formlose und unausgegorene Skizze" zum "Chandos-Brief" verhält.

Wenn man diese möglichen Gegenwartsbeziehungen einem Vergleich mit der Erzählzeit im "Chandos-Brief" unterzieht, ergeben sich immerhin einige bemerkenswerte Bezüge. Zuerst wäre die Wahl der Epoche zu beachten: die Zeit um 1600 in England hat mit der um 1900 in Österreich den Charakter einer Zeitenwende gemein. Beide Länder werden von Monarchen beherrscht, deren ungewöhnlich lange Regierungszeit (1558-1603, 1848-1915) sie in den Augen ihrer Untergebenen zu einer verknöcherten Institution herabwürdigen. Beiden Monarchen fehlt es am Ende ihres Lebens an Flexibilität, beide weisen eine gewisse Desillusionierung, wenn nicht gar Verbitterung, auf. Mit Elisabeth I. geht die englische Renaissance, die Egon Friedell als "Flegeljahre des Kapitalismus" bezeichnet (Bd.2, S.375), ihrem Ende entgegen, und mit der Erfindung des Fernrohrs (1608, von Lipperskey und Jansen; 1609 von Galilei) beginnt das eigentliche Zeitalter der exakten Wissenschaften.       

            Die Jahrundertwende ist ebenfalls das Ende eines Epoche. Das beginnende 20. Jahrhundert zeichnet sich nicht nur durch ein neues hektisches Tempo und technologische Errungenschaften wie Autos, Röntgenstrahlen und Telegraphie aus, sondern auch durch ein besonderes Weltgefühl, dessen Merkmal Auflösung ist, und das EgonFriedell in seiner in den 20er Jahren verfaßten Kulturgeschichte (Bd.3, S.549) so beschreibt: "Wie zu jeder Wendezeit sehen wir auch diesmal vorerst nur, daß ein Weltbild sich auflöst: dies aber mit voller Deutlichkeit; daß, was der europäische Mensch ein halbes Jahrtausend lang die Wirklichkeit nannte, vor seinen Augen auseinanderfällt wie trockener Zunder." Nicht umsonst entsprechen die Relativitätslehre (1905) und die Atomzertrümmerung (1911) auf dem Gebiet der Physik dem Dekadenzgefühl einer ganzen Generation. Auf eine entsprechende Auflösung der Form in der neo-impressionistischen Malerei haben wir schon oben hingewiesen.        

Was nun den "Chandos-Brief" anbelangt, sticht die auffällige Sorgfalt in der Beschreibung von Lord Chandos Entwicklung ins Auge: der Brief ist auf den 22. August 1603 datiert; Lord Chandos bezeichnet sich selbst als "sechsundzwanzigjährig" (S.7), er spricht von seinem "zweijährigen Stillschweigen" (id.), was also auf ein Verstummen im Alter von etwa 24 Jahren schließen läßt. Mit neunzehn hat er die Schäferspiele geschrieben, mit dreiundzwanzig das lateinische Traktat (S.8). Nach diesen Angaben fällt sein Geburtsjahr auf 1577, die Schäferspiele auf 1596, das Traktat auf 1600, und die Krise auf 1601. Die Periode des Schweigens dauert bis zu dem Zeitpunkt des Briefes in 1603.

Obwohl Hofmannsthal nicht 1877, sondern 1874 geboren ist, lassen sich einige Parallelen in der Schaffensperiode aufweisen: in das Jahr 1895, als er zwar nicht 19, sondern schon 21 Jahre alt ist, fallen die ersten Veröffentlichungen Hofmannsthals: Das Märchen der 672. Nacht erscheint in Die Zeit, die Terzinen II-IV im Pan. Im Jahre 1900 hat er zwar kein "Traktat", dafür aber seine (erfolglose) Habilitationsschrift über Victor Hugo geschrieben. Danach tut sich in frappierendem Kontrast zu der vorangehenden Schaffensperiode fast nichts: "Pompilia, oder Das Leben" bleibt unvollendet, Das Leben ein Traum und die Elektra kommen zu der Zeit ebenfalls nicht aus dem Stadium des Plänemachens heraus, und erst im August (!) 1902 ist mit dem "Chandos-Brief" wieder eine fertige Arbeit zu verzeichnen.        

            Wenn sich also die Lebens- und Schaffensdaten Lord Chandos und Hofmannsthals auch nicht genau entsprechen, besteht zumindest in einem etwa zweijährigen Versiegen der literarischen Schaffenskraft eine beachtenswerte Übereinstimmung, die auch in der Korrespondenz Ausdruck findet. In Briefen an Stefan George vom 24. 7. und 14. 12. 1902 entschuldigt sich Hofmannsthal für sein "monatelanges Stillschweigen". Er spricht von "einer schlimmen tiefen Verdüsterung", und von "Wochen der unglaublichsten inneren Erstarrung". Er klagt, daß ihm alles "nichts als den Stoff der Verdüsterung und Beklommenheit" darstelle, und daß er keinerlei Beziehung zu den von ihm geschaffenen literarischen  Gestalten mehr habe. In seinem Brief vom 9. 9. 1902 an Leopold von Andrian, erwähnt er, daß alle Arbeiten "seit Jahren... einigermaßen dem Gewebe der Penelope gleichen, an dem die Nächte immer wieder auftrennen, was die Tage gewebt haben", abgesehen von dem diesem Brief beiliegenden "Chandos-Brief", von dem er hervorhebt, daß er "wirklich fertig" sei, daß er keine eigentliche dichterische Arbeit darstelle, und daß ihm "das Persönliche stark (anhafte)". Den unfiktiven Charakter der Chandos-Arbeit nimmt er zwar im nächsten Brief vom 16. 1. 1903 wieder zurück, hält aber an der autobiographischen Inspiration mit folgenden Worten eindeutig fest: "Ich (mußte), um nicht kalt zu wirken, (den Gehalt) einem eigenen inneren Erlebnis, einer lebendigen Erfahrung entleihen." Und sogar noch 1921, in einem Brief an Wildgans, weist Hofmannsthal noch einmal auf den bekenntnishaften Charakter des "Chandos-Briefes" hin.        

            Um nun zu der weiter oben aufgeworfenen Frage nach einer möglichen Identität des Lord Chandos mit seinem Autor im Lichte der Zeitstruktur des Briefes, der Lebensdaten und der Korrespondenz Hofmannsthals Stellung zunehmen, fassen wir folgendermaßen zusammen: wenn auch die Situation des Lord Chandos im Brief nicht im Einzelnen mit der seines Erschaffers gleichzusetzen ist, lassen sich doch beträchtliche autobiographische Parallelen erkennen. Die Position einer rein fiktiven Arbeit läßt sich also unserer Meinung nach ebensowenig verteidigen, wie die einer völligen Identität von Autor und Erzähler. Da sich in Hofmannsthals Werk schon lange vor dem "Chandos-Brief" zahlreiche Andeutungen krisen- und epiphanieartiger Zustände niederschlagen, geht man wohl nicht fehl in der Annahme, daß in Lord Chandos eine Art Verdichtung selbst erlebter Ängste, Zweifel und glückhafter Offenbarungen zu sehen ist. Daß der Brief aber keineswegs die Funktion einer Katharsis erfolgreich erfüllt hat, läßt sich aus der Kontinuität dieser Thematik bis ins Spätwerk ersehen. Weiter Affinitäten zwischen Lord Chandos und Hofmannsthal, sowohl im Krisenerlebnis als auch in den mystischen Einheitsbestrebungen, werden im Zusammenhang mit der erkenntnistheoretischen und sprachskeptischen Thematik noch aufzuzeigen sein.     

            Schon in Hofmannsthals Frühwerk finden sich zahlreich Anzeichen für einen tiefgreifenden Skeptizismus und insbesondere die Sprachskepsis. Wie Jens Fischer ausführlich in seinem Buch Fin de sieècle: Kommentar zu einer Epoche beschreibt, steht Hofmannsthal keineswegs allein mit dieser Haltung. Vielmehr läßt sich darin ein Merkmal für ein allgemein ausgeprägtes Krisenbewußtsein um die Jahrhundertwende erkennen. Er umreißt die "Fin-de-siècle-Stimmung" (S.86-87) mit der "Verdrossenheit gegenüber staatlicher Macht, und imperialer Kraftenfaltung,... der tiefgreifenden Skepsis gegenüber offiziöser Religiosität", und dem "gebrochenen Selbstbewußtsein einer Dilettantengeneration." Merlio (S.110) führt diese "crise de conscience" um 1900 auf die Folgen der Industrialisierung zurück, und auch Rudolph (S.65) spricht von einem "tiefgreifenden wirtschaftlichen und sozialen Strukturwandel".        

            Besonders eindrucksvoll führt Broch in Hugo von Hofmannsthal und seine Zeit (S.30 ff.)aus, wie in deutschen Sprachraum nach der überragenden Größe Goethes und Hölderlins und mit der Ausnahme Nietzsches ein Wert-Vakuum die zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beherrscht habe. Er spricht von dem ZusammeNbruch der Religion als Zentralwert, und von einer allgemeinen Normauflösung, worauf er dann die Aufsplitterung in autonome Einzelsysteme, wie zum Beispiel das L'art pour l'art-Bestreben, zurückführt (S.39).        

            In seinem sehr eindrucksvollen Aufsatz "Philosophie und Dichtung" hat Robert Mühler den philosophischen Hintergrund der Zeit skizziert. Demnach hat sich in Österreich immer ein an Leibniz orientierter Optimismus behauptet und erfolgreich den pessimistischen deutschen Strömungen eines Schopenhauers, Nietzsches oder Eduard von Hartmanns standgehalten, oder sie zumindest erheblich gemildert. Als Beispiele erwähnt er Stifter (S.206), Marie von Ebner-Eschenbach (S.207) und Anzensgruber (S.209), und spricht von einem "grundlosen Optimismus" im Sinne eines unmittelbaren und unbeweisbaren positiven Seinsgefühls (S.212). Dieses nun sieht sich um 1900 in einem Stadium der Auflösung begriffen: "Eine in die Tiefe lotende, mit anderen Waagen und Gewichten wägende Generation, wie sie nach 1890 in Wien auftrat, sah, was einst Stolz und triumphaler Ordnungsgedanke des Universums war, die Idee der prästabilierten Harmonie, in Nichts zerfallen. Diesen Dichtern, allen voran Hofmannsthal, ist zwar noch immer die monadische Idee verblieben, aber diese zeigt nun neue Fassaden", nämlich den "Charakter des Gebrochenseins... Die Menschenwelt erscheint wie eine Unzahl von 'absoluten' Mittelpunkten, die sich gegenseitig nicht ganz umspannen können und so in `Relationen' gebunden sind".        

            Wie so häufig weiß Egon Friedell in seiner selbst von impressionistischer Technik geprägten Kulturgeschichte die Gesamtsituation prägnant und in stilistisch brillianter Weise zusammenzufassen. Indem er auf Hofmannsthal und Oscar Wilde hinweist und beiden als Repräsentanten einer Epoche die "Leidenschaft der amor vacui" vorwirft, sagt er: "Die Krankheit, auf die beide hindeuten, war der Skeptizismus. Freilich ist dieser uralt, wahrscheinlich so alt wie das menschliche Denken; aber er hat seine verschiedenerlei Normen und Grade... Diese Generation hatte einen Typus hervorgebracht, der vielleicht in seiner Art neu war. Frühere Zeiten lehrten und bewiesen die Skepsis, diese Menschen aber lebten sie... Wir lesen die Zweifel eines Epikur, Hume, oder Montaigne, aber sie sind kraftvoll...gegenüber diesem Skeptizismus... Solange man noch über Sein oder Nichtsein philosophiert, ist es nicht schlimm. Diese neuen Skeptiker aber hatten bereits aufgehört zu philosophieren; und hier begann die Gefahr. Sie gaben ihrer Zeit das Gepräge, sie waren... überall". (Bd.3, S.521).         

            Wenn man bedenkt, daß ein ähnlich negatives Lebensgefühl sich in vielen Krisenzeiten zu manifestieren scheint, so daß sogar ein so stoisch verhafteter Philosoph wie Seneca und ein so rhetorisch orientierter Römer wie Cicero nicht umhin können, gegen Ende ihres Lebens einer ausgesprochen skeptischen Perspektive Ausdruck zu verleihen (Pohlenz, S.322, Buck, S.118), und daß die meisten Vertreter der Spätrenaissance ebenfalls eine skeptische Weltanschauung reflektieren (Popkin, Buck), wundert man sich, warum die Hofmannsthal-Kritik in ihren Erklärungen für den Ausdruck eines pessimistischen Lebensgefühls nie weiter zurückzugreifen scheint als zu Nietzsche und Schopenhauer.

            Eine Ausnahme mag Joachim Kühn darstellen, der immerhin Mauthners sprachkritische Tendenzen bis zu Hume und Berkeley verfolgt und sogar ausnahmsweise einen vagen Verweis zum mittelalterlichen Nominalismus und der griechischen Philosophie anbringt (S.90). In Anbetracht der Tatsache, daß zur Zeit Hofmannsthals eine äußerst sorgältige humanistische Bildung vorausgesetzt werden kann, darf man sich zumindest fragen, warum skeptische Einflüsse nicht direkt aus den skeptischen Quellen, zum Beispiel eines Sextus Empiricus, Diogenes Laertius, oder auch Ciceros Alterswerk stammen könnten, oder zumindest aus der Renaissancezeit, wie das doch in Hofmannsthals Fall, dessen  Doktorarbeit sich mit Ronsard befaßte (Hirsch, S.146), ganz besonders nahe liegt.        

            G. R. Hocke (S.245) zieht interessanterweise in seinem Manierismus in der Literatur eine Verbindungslinie vom Typus des Hamlet als dem "Malcontent", den er als "Produkt des Zweifels, eines Zwiespalts von Vitalität und übersteigertem Ich-Bewußtsein" definiert, zurück zu Sextus Empiricus, und voraus zum "Hyper-Individualismus des Modernen", wobei die Ich-Reflektionen des "Skeptiker(s) Montaigne" Mittlerfunktion einnähmen. Was er in diesem Zusammenhang von der Affinität zweier Zeitalter und mit ausdrücklichem Hinweis zum "moderne(n) Existenzialismus" zu sagen hat, trifft unserer Meinung nach genauso gut auf die Spätzeit des Römischen Reiches und auf die Jahrhundertwende zu: "Die Geschichte des Skeptizismus in der Shakespeare-Zeit hat viel Ähnlichkeit mit derjenigen des hellenistischen Skeptizismus, auch in Bezug auf Krisenzeiten, politische Katastrophen, soziale Wandlungen und subjektivierende Reaktionen" (id., S.246).        

            Das Hauptmerkmal eines jeden Skeptizismus, von dem Villey (Bd.2, S.209) wohl zu Recht sagt, daß er "pas une doctrine, mais une attitude de l'esprit" sei, ist die jedem Dogmatismus diametral entgegengesetzte Haltung. Damit verbunden ist das In-Frage-Stellen von absoluten Wahrheiten und Werten, die auf einer grundsätzlichen Kritik der erkenntnistheoretischen Voraussetzungen, nämlich der Sinne und des Bewußtseins, beruht. Außerdem findet in der Vermittlung durch die Sprache, deren Unzulänglichkeit zumal die frühen Vertreter des Skeptizismus nicht müde werden zu beschreiben, sozusagen eine zweite Brechung der sowieso schon subjektiv erfaßten Realität statt. Ein sehr ausgeprägtes Gefühl für die Relativität aller Dinge und Meinungen ist demnach typisch für jede skeptische Einstellung.

            Oft steht dieser theoretischen Offenheit und Toleranz eine ausgesprochen tiefe Abbneigung gegen alle Undordnung im politischen und sozialen Bereich gegenüber. Montaigne, zum Beispiel, und letzten Endes ja auch Hofmannsthal, vertraten eine sehr konservative Lebenspraxis. Umgekehrt stehen dogmatische Weltanschauungen häufig im Zusammenhang mit revolutionärer Praxis oder Absicht! Das starke Relativitätsbewußtsein steht in direktem Bezug zu einem gewissen Verhältnis von Mensch und Welt, das schon im Homo-mensura-Satz des Protagoras seinen prägnantesten Ausdruck findet, vor allem wenn man diesen wie Ernst von Aster (S.55) mit der Verneinung objektiver Wahrheit interpretiert, und mit Subjektivität, Relativität und Skepsis in Verbindung bringt.        

            Ganz wie die Relativitätstheorie (1905), die nach Friedell "als das größte geistige Ereignis des neuen Jahrhunderts angesehen werden muß" (Bd.3, S.551), endgültig mit der Illusion eines absoluten Bezugssystems von Raum und Zeit aufräumt, sieht sich um diesselbe Zeit auch das Individuum seiner festen Stellung beraubt. Das Ich verliert seinen archimedischen Punkt, wie  Richard Sheppard (S.585) diesen Prozess am Beispiel Rilkes darstellt, und fällt einer Atomisierung anheim, die Sheppard ganz richtig an den "Chandos-Brief" erinnert: "Whereas the Neuen Gedichte presuppose an implicit and unobstrusive Ich which stands firmly over and against... the world which surrounds it, this relationship has been fractured in the Elegien" (S.584). Wunberg (S.117) weist im Zusammenhang mit Hofmannsthals "Chandos-Brief", Musils Törless und Rilkes Malte auf die enge Verknüpfung dieser Autoren mit einem "erkenntnistheoretischen Relativismus und folglich einer deutlichen Wertnivellierung" hin.

            Wie in dem schon erwähnten Barrès-Aufsatz Hofmannsthals (1891) von einem "fehlenden Mittelpunkt" des Individuums die Rede war, drückt sich ein ähnliches Verlorensein in der ersten D'Annunzio-Rezension von 1893 aus (HvH., Prosa I, S.171): "Wir haben gleichsam keine Wurzeln im Leben". Zwei Seiten weiter sagt er in einer grandiosen Vorausahnung der Relativitätstheorie (1905) und der Atomzertrümmerung (1911): "Modern ist... das Zerschneiden von Atomen und das Ballspielen mit dem All." Auf den Menschen angewandt faßt dieser Satz die Ich-Zerfaserung und allgemeine Haltlosigkeit zusammen, die wohl ihre einflußreichste Entsprechung in dem Empririokritizismus von Ernst Mach findet.    

            Im dritten D'Annunzio-Aufsatz von 1896 spricht Hofmannsthal gleich zweimal von Atomen und dem leeren Raum: "Die Schicksale der Menschen und der Dingestürzen... nebeneinander hin durch das Leere, wie die Atome des Demokrit" (HvH, Prosa I, S.272; auch S.280). Wie auch im "Chandos-Brief" zeigt sich hier der Ausdruck einer unglaublichen Verlorenheit. Es erinnert uns an ein ähnliches alptraumartiges Gefühl in Lukrez De natura rerum, wo es ebenfalls der Intuition einer unendlichen und absolut indifferenten Natur entspringt.   

            In einem fiktiven Gespräch läßt Hofmannsthal 1902 Balzac von einer zunehmenden Zersetzung des Lebens und einer Atomisierung des Erlebens sprechen "...so sehr, daß man um 1890 oder 1900 überhaupt nicht mehr verstehen wird, was wir mit dem Wort 'Erlebnis'  haben sagen wollen" (HvH, Prosa II, S.53).        

            Hier könnte es sich um einen direkten Hinweis auf Machs Analyse der Empfindungen handeln, die zwar schon 1886 zum erstenmal erschienen war, aber erst mit der Zweitauflage in 1900 "zum Lieblingsbuch der Zeit" (Kluckhohn, S.4) wurde. Sein Einfluß auf die Generation des Jungen Wien Kreises ist unermeßlich (Wunberg, S.24; Pascal, S.45). Insbesondere Hermann Bahr und Robert Musil, der ja bekanntlich 1908 mit einer erkenntnistheoretischen Dissertation über Mach promovierte, reflektieren ihn, aber auch Andrian, Beer-Hofmann, Schnitzler und Peter Altenberg weisen ihn auf (siehe Magris, S.232 ff.). Nach Magris macht denn auch Hofmannsthal keine Ausnahme. Wolfgang Nehring bezweifelt allerdings einen direkten Einfluß auf Hofmannsthals Frühwerk, weil schon 1890, "als Hofmannsthal noch Gymnasiast war", verblüffende Parallelen nachweisbar sind. Hofmannsthal hat nachweisbar 1897 eine Vorlesung Machs belegt (Wunberg, S.39), und Nehring erwähnt eine Visitenkarte "aus den neunziger Jahren" mit dem Titel der Mach'schen Analyse (Nehring, S.495).        

            Machs Nähe zu einem extremen Relativismus und zu einer radikalen erkenntnistheoretischen Skepsis drückt sich schon darin aus, daß für ihn jede Erkenntnis "nur ein Standpunkt" ist (Buzello, S.19), also keine Allgemeingeltung haben kann. Nur im Bewußtsein des Einzelnen liegt sie, und ist außerdem noch von verschiedenen Stimmungen und vielen anderen Umständen abhängig. Damit löst sich "die Wirklichkeit in einem Strom von Empfindungen (auf), der es nicht länger (erlaubt), von Wesensverschiedenheiten zwischen Psychischem und Physischem, zwischen Ich und Welt, Innerem und Äußerem zu sprechen" (Magris, S.232). Auch das Ich verliert seine Einheit und löst sich ebenso wie die Außenwelt in unzählige Einzelteile auf. Ihm wird demnach jede Realität abgesprochen, es wird zur Fiktion, es ist nur ein Notbehelf zur vorläufigen Orientierung im täglichen Leben, und ist sich selbst in seinen aufeinanderfolgenden Phasen fremd: "Wenn ich mich heute meiner frühen Jugend erinnere, so müßte ich den Knaben...für einen  anderen halten, wenn nicht die Kette der Erinnerung vorläge. Schon manche Schrift, die ich selbst vor 20 Jahren verfaßt, macht mir einen höchst fremden Eindruck," sagt Mach (S.3).    

            Das entspricht auf frappierende Weise dem Beginn des "Chandos-Briefes", den Pascal dann auch mit "Mach applied ad hominem" umschreibt (S.46). Diese Ich-Auffassung gipfelt in dem berühmten Auspruch vom "unrettbaren Ich" (Mach, S.16), das durch Bahr 1904 zu einem bekannten Schlagwort wurde (Wunberg, S.25; Nehring, S.488). Friedell (Bd.3, S.442, 444) sieht Machs "geistigen Stammbaum" in England bei Locke und Hume, und erklärt ihn zum "klassischen Philosoph(en) des Impressionismus", weil er "keine andere psychische Realität anerkennt als die 'Elemente', die isolierten Einzeleindrücke, die sozusagen das ABC unserer Erfahrungswelt bilden, als deren letzte und einzige Tatsachen."

            Gotthart Wunberg (S.30 ff) hat unserer Meinung nach die "entschiedenen Affinitäten" zwischen der Hofmannsthal'schen und der Mach'schen Ich-Auffassung sehr überzeugend belegt. Hofmannsthal notiert am 5. 5. 1891: "Wir erscheinen uns selbst als strahlenbrechende Prismen, den anderen als Sammellinsen" (HvH., Aufzeichnungen, S.183). Wolfgang Nehring (S.496) zitiert Ähnliches aus einem frühen Brief (um 1890?) an Bahr, in dem Hofmannsthal das Ich mit einer "Akrobatenfamilie von Momentsituations-Ichs" vergleicht.

            Eine dem "Chandos-Brief" vergleichbare Fremdheit gegenüber der eigenen Person und dem eigenen Werk findet sich auch schon zehn Jahre vorher in Tagebuchnotizen und in der frühen Lyrik. So liest man in einer Tagebuch-Eintragung vom 17. 6. 1891: "Mein Ich von gestern geht mich so wenig an wie das Ich Napoleons oder Goethes" (HvH., Aufzeichnungen, S.93). Und in 1894 heißt es: "Wir sind unsrem Ich von Vor-zehn-Jahren nicht näher, unmittelbarer eins als mit dem Leib unserer Mutter" (HvH., Aufzeichnungen, S.107). Lyrische Entsprechungen finden sich für diesselbe Zeit in Sünde des Lebens (1891) und in den Terzinen (1894).

            Das Grundgefühl, das mit solcher Ich-Auflösung einhergeht, ist ein tiefempfundener Sinn für die Vergänglichkeit aller Dinge, und erinnert damit deutlich an Heraklits Panta rhei. Tatsächlich findet sich der Ausdruck eines fließenden Lebensgefühls ja ganz ausdrücklich 1902 im "Chandos-Brief". Ähnlich heißt es schon 1894 in den Terzinen, deren erste Teilüberschrift bezeichnenderweise "Über Vergänglichkeit" lautet: "Dies ist ein Ding das keiner voll aussinnt... / Daß alles gleitet und vorüberrinnt" (HvH., GLD, S.17). Zu Edgar Allan Poe notiert Hofmannsthal (HvH., Aufzeichnungen, S.102): "Es ist sonderbar, wenn einer in so starren Dingen das Bild seiner Vision der Welt findet, da doch im Dasein alles gleitet und fließt", und gleicherweise wirft er auch D'Annunzio eine gewisse Unbeugsamkeit vor: "Da doch alles gleitet und fließt, befremdete mich in seiner Weltanschauung etwas Starres und Künstliches" (HvH., Prosa I, S.271). Und wie eine Zusammenfassung klingt der Satz: "In der Natur gibt es nichts Festes, Begrenztes, nur Übergänge" (HvH., Aufzeichnungen, S.90).        

            Auch bei Bahr findet man einen entsprechenden Ausblick. 1904 schreibt er, er habe bei Mach "ausgesprochen gefunden, was mich die ganzen drei Jahre her quält: 'Das Ich ist unrettbar.' Es ist nur ein Name. Es ist nur eine Illusion. Es ist ein Behelf, den wir praktisch brauchen, um unsere Vorstellungen zu ordnen... Alles ist in ewiger Veränderung" (S.190). Und: "Alles fließt, eines (verrinnt) in das andere und (ist) niemals, wird nur immer in unablässiger Verwandlung" (S.197).     

            Unmittelbar nebeneinandergestellte Einzeleindrücke sind auch kennzeichnend für den literarischen Impressionismus, wobei "immer feinere Nuancierung und Differenzierung... sowohl für die Sprache wie für die Beobachtung seelischer Vorgänge charakteristisch (sind). Die Haltung des Dichters ist dabei passiv bis zur Negierung der Seele, die zu einem bloßen Etwas wird, durch das die Eindrücke der Außenwelt hindurchgehen" (Kluckhohn, S.4). Hofmannsthal gehört für ihn - wenn auch nur in seiner Frühzeit - zu den "Wiener Impressionisten". Auch Wolfgang  Nehring (S.489) weist auf Hofmannsthals wiederholte Auseinandersetzung "mit der impressionistischen Weltauffassung" hin, deren Beschreibung sich mit den oben dargestellten Auflösungstendenzen und vor allem dem Panta rhei-Empfinden deckt. Bahr nennt er den "Theoretiker des (Wiener) Impressionismus", und Peter Altenbergs aphoristische Schriften, die er "eine Sammlung von Momentaufnahmen und Schnappschüssen des Lebens" nennt, sind ihm repräsentativ für die Zeit und Generation. Auch Schnitzlers Werk verkörpert für ihn den impressionistischen Stil, wobei er sehr schön darauf hinweist, daß "die Auflösung der großen dramatischen Form (in Einakter oder Einakterzyklen) die Äuflösung des Ichs und der Welt in isolierte Erlebnisse (spiegelt)" (S.488-9). Er betont auch ganz richtig, daß die Einführung der assoziative Technik des Inneren Monologs im "Leutnant Gustl" (1901) nicht ohne Zusammenhang mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen ist.     

            Bei Hofmannsthal erfolgt Nehrings Meinung nach eine Wende um 1895, nachdem er den Verlust der Frau von Wertheimstein zu beklagen hat und etwa gleichzeitig mit dem Militärdienst einer "neuen bedückenden Wirklichkeit" gegenübersteht: "Nach diesen Erfahrungen identifiziert (er sich) nur noch höchst selten mit dem impressionistischen Lebensgefühl" (id., S.491). Der "Chandos-Brief" von 1902 dürfte wohl eine dieser "seltenen" Manifestationen nach 1895 darstellen, obwohl wir eher annehmen, daß Hofmannsthal sich sein Leben lang dem "Bereich der Relativität", wie Nehring den Impressionismus definiert (S.497), verbunden gefühlt hat. Das wird besonders an der Sprachthematik deutlich, die Hofmannsthal bis an sein Lebensende beschäftigt hat, und zum Beispiel noch ein Hauptthema des Schwierigen von 1921 ist.        

            Daß die Sprachskepsis der logische Ausdruck einer skeptischen Weltanschauung ist, wird allgemein anerkannt. Damit hängt sie aufs Engste mit den oben beschriebenen Tendenzen zusammen. Das Versagen der Worte, die Wirklichkeit in ordentliche Systeme zu zwängen, geht Hand in Hand mit einem  verunsicherten Ich-Bewußtsein: "Die Krise der Sprache, ihre Abdankung als Mittel, den Reichtum der Wirklichkeit zu erschließen, ist verbunden mit jener des psychologischen Subjekts" (Magris, 1982, S.231). Wie die Ich-Problematik ist denn auch die Sprachkritik eines der Hauptthemen des 20. Jahrhunderts (Höck, S.371). Bekes (S.121) führt sie im Zusammenhang mit Peter Handke auf die Zeit um 1900 zurück, Joyce, Beckett, Ionesco, und andere reflektieren sie später. Helmut Prang belegt sie für "nahezu alle namhaften Dichter der Jahrhundertwende" (Wunberg, S.12), Daniel de Vin (S.189) sieht in ihr im Zusammenhang mit Musils Törless "ein typisch österreichisches Thema", Böckmann und Sheppard diskutieren sie bei Rilke und F. Aspetsberger verfolgt sie bei Schnitzler. Und häufig wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf den "Chandos-Brief" als "Manifest" (Kuna, S.133), "Zeitdokument" (Eibl, S.88) und "epochenmachendes skeptisches Kunstwerk" (Brinkmann, S.80), sowie als "Grunderfahrung eines ganzer Generation" (Landauer, bei Eibl, S.82) hingewiesen. Außerdem wird Hofmannsthal allgemein eine "Mittlerstelle innerhalb der modernen Sprachkrise" zugebilligt (Requadt, S.40): "Er hat diese früh und scharf empfunden, er hat über sie reflektiert und sie aus eigener Kraft dichtend zu überwinden gesucht." Requadt sieht den philosophischen Einfluß Nietzsches und Lichtenbergs am Werk, und dem ersteren hat Meyer-Wendt ein ganzes Buch gewidmet. Sprachkritische Reflexionen Bacons (Kraft, Wunberg, Hamburger), Goethes, Schopenhauers, Brentanos und vor allem Mauthners (Kühn, Eibl, Morton) werden bemüht, und auch auf Ähnlichkeiten mit Wittgenstein wird hingewiesen. Niemand, abgesehen von einem flüchtigen Hinweis auf die "lange Tradition" der Sprachskepsis bei Kühn (S.90), erwähnt auch nur die frappierendsten Parallelen mit der antiken Richtung, die am besten bei Sextus Empiricus in seinem Adversus mathematicos I zum Ausdruck kommt. Dabei weist schon ein Artikel von Francoise Desbordes auf die wesentlichen Merkmale der Sprachkritik, wie sie sowohl bei Mauthner als auch bei Wittgenstein auftauchen, in prägnantester Weise hin. Ein näherer Vergleich mit dieser wichtigen Quelle wäre bestimmt auch für die sprachthematische Literaturkritik von größtem Nutzen.  

            Daß absolute Erkenntnis unmöglich ist (Desbordes, S.64), und daß die Sprache als mögliches Erkenntnismittel höchst ungeeignet ist, da sie die Wirklichkeit nicht reflektiert sondern subjektiv verformt (S.66, 68), daß sie trotz alledem aber praktischen Orientierungswert hat (S.66), sind Prämissen der antiken Sprachskepsis, und waren schon zur römischen Kaiserzeit in aller Munde. Daß die Worte eine Welt für sich sind (S.69), befindet auch der mittelalterliche Nominalismus (Kühn, S.242). Auch Mach, Vaihinger (Philosophie des Als Ob; Kühn, S.242) und Wittgenstein (besonders in den Philosophischen Untersuchungen; Haller, S.47 ff), sagen es und es kommt in Chandos Bemerkung zum Ausdruck, daß Ciceros und Senecas "begrenzte und geordnete Begriffe... es nur miteinander zu tun" hätten (S.14).

            Diese Meinung scheint uns Kleists Brillenmetapher, nach der "die Sprache unsere wirklichen Augen bildet" (zitiert nach Arntzen, S.254), sowie Humboldts Sprachdefinition als Weltbild (die dann ja auch der bekannten Whorf-Sapir Hypothese zugrundeliegt) nahezustehen. Nicht nur sind Worte ein geschlossenes System, sie haben auch Gewalt. Diese Auffassung findet sich bei Nietzsche (Meyer-Wendt, S.86), der vermutlich Mauthner damit beeinflußt hat (Arntzen, S.250). Ganz wie das Wort=Gewalt-Motiv läßt sich auch die Idola-Auffassung, nach der die Worte Vorurtele beinhalten und die im Anschluß an Bacon bei Goethe (Bennett, S.553) Nietzsche (in Menschliches, Allzumenschliches; Magris (S.47)), Mauthner, Kraus und Wittgenstein (Petillon, S.887) auftaucht, und im Falle Hofmannsthals direkt auf diese Renaissance Quelle zurückzuführen ist.

            So weist Wunberg (S.110) darauf hin, daß Hofmannsthal schon 1893 als 19 jähriger von dem Idola-Begriff gewußt hat, den er dann später unter dem Wort "Urteil" so eloquent im "Chandos-Brief" (S.12-13) anwendet. In der erwähnten  Tagebucheintragung (HvH., Aufzeichnungen, S.105) ist von "Worten als Gefängnissen" die Rede, und die "eidola" werden als Begriffe dargestellt, die "einmal lebendig waren", dann aber zu nichts anderem als Götzenbilder geworden sind. Zwei Jahre später heißt es in der Mitterwurzer-Rezension (HvH., Prosa I, S.265-270) in direkter Anlehnung an Bacon: "...Gewöhnlich stehen nicht die Worte in der Gewalt der Menschen, sondern die Menschen in der Gewalt der Worte. Die Worte geben sie nicht her, sondern spinnen alles Leben von den Menschen ab" (S.267). Bei Bacon hieß es: "Die Menschen bilden sich ein, daß sie mit ihrem Verstand die Sprache beherrschen; oft geschieht es aber, daß die Sprache ihren Verstand beherrscht" (Novum Organon I, 59; bei Kraft, S.40). In derselben Rezension ist auch von einem "tiefen Ekel vor den Worten" die Rede, und davon, daß si sich "vor die Dinge gestellt" hätten (S.265).        

            In dem ersten Teil des "Chandos-Briefes" hatten wir die Form als bestimmendes Element gesehen, im zweiten die Substanz. Auf den sprachthematischen Verlauf angewandt, kann man mit Eibl (S.83) eine Dreiteilung sehen. Die ersten beiden Teile haben dann mit der Form zu tun, nämlich zum einen mit Wortmagie und Trunkenheit, zum zweiten mit Wortzerfall und Leere. Der dritte, der Substanz zugehörige Teil, weist auf die wortlose Sprache der Dinge mit den Stichwörtern Seins-Einheit und Weltharmonie. Was nun den erkenntnistheoretischen Hintergrund der Sprachthematik in dem "Brief" angeht, haben wir schon darauf hingewiesen, daß Sprache wie sie in der rhetorischen, formbetonten ersten Hälfte des Textes dargestellt wird, als ungenügned erscheint und einer anderen "Sprache, in welcher die stummen Dinge...sprechen" (S.22) gegenübergestellt wird. Parallel zu der Ich-Auflösung fällt sie also einem Zerfall anheim, der nur mit einer Ahnung von der Sprache des Seins ersetzt wird.        

            Wie Karl Eibl (S.88) überzeugend darstellt, stehen Sprachskepsis und Mystik in einem komplementären Verhältnis zueinander. Vielleicht nicht zufällig haben sich sowohl Fritz Mauthner wie sein überzeugtester Anhänger Gustav Landauer nach einer extremen skepsitschen Phase der Mystik zugewandt. Gegen Lebensende hat Mauthner sich für einen hauptsächlich östlichen Mystizismus interessiert (Laotse, Buddha, aber auch Meister Eckhart; Kühn, S.250 ff.) Arntzen (S.251) nennt Mauthners Kritik der Sprache (1901-1902) "eine der grundlegenden Arbeiten zur Sprachkritik in diesem Jahrhundert", die "nachweislich auf viele Autoren eingewirkt" habe. Wunberg (S.112) meint, es werde mit Recht "immer wieder" auf Mauthner hingewiesen, wenn vom "Chandos-Brief" die Rede sei. Auch Arntzen (S.253) hält Landauers 1903 geäußerte Überzeugung, der "Chandos-Brief" sei nicht ohne Kenntnis Mauthners zustande gekommen, für gerechtfertigt. Kühn (S.27) sagt: "Mauthner selbst, der sonst von Beziehungen der modernen Dichtung zu seiner Sprachkritik nicht zu überzeugen war, schrieb unmittelbar nach der Veröffentlichung des "Briefes" (20. 10. 1902) an den Dichter" er sehe in dem "Chandos-Brief" "das erste... Echo" auf sein Werk. Mit den Worten "Meine Gedanken sind ähnliche Wege gegangen" hat Hofmannsthal diese Unterstellung in seinem Antwortschreiben an Mauthner (Morton, S.2) höflich abgelehnt, und auf die früheren sprachskeptischen Züge in seinem eigenen Werk hingewiesen. Es besteht kein Anlaß, wie Kühn (S.28) an Hofmannsthals Aufrichtigkeit zu zweifeln, weil "die gedanklichen Übereinstimmungen" zu überzeugend seien. Vielmehr muß man wohl zugeben, daß Hofmannsthals Eigenständigkeit nicht den Wünschen Kühns entspricht, dafür aber vermutlich den historischen Tatsachen entspricht. So gesteht Eibl (S.82) Mauthner, dem "genialen Dilettanten" (so Haller, S.41), in einer realistischeren Bewertung "Brennglasfunktion" zu. Ähnlich urteilt auch Morton (S.2): "Mauthner's works do not constitute, in themselves, an epochal event, revolutionizing intellectual and artistic life. What Mauthner offers is rather an unusually extreme... formulation of a tendency running through much of the philosophy and literature generally."        

            Mauthner für die drei nicht allein sprachbezogenen Phasen im "Chandos-Brief", nämlich die Sprachmagie, den Sprachzerfall und die Dingsprache, als Haupteinfluß heranzuziehen, scheint uns also nach dem Stand unserer Kenntnisse nicht gerechtfertigt. Wenn Arntzen (S.251) auch vielleicht Recht hat mit der Annahme, daß Mauthners Wirkung gern "verschwiegen (werde), als sei es unangenehm sich auf (seine Arbeit) zu beziehen", meinen wir doch, daß eine Verbindung von Einflüssen der zeitgenössischen  Philosophie wie der Machs, Vaihingers, und Brentanos mit sprachkritischen Ansätzen bei Bacon und Nietzsche wahrscheinlicher ist. Für die monistisch-mystischen Zusammenhänge stimmen wir mit Rehm (S.113) und Meyer-Wendt (S.117) überein, daß Goethe und Stifter, sowie der weitere österreichische Harmonie-Kontext durch den "böhmischen Leibniz" Bolzano und dessen Schüler Herbart (Mülher, S.204) auf Hofmannsthal mehr gewirkt haben dürften.

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Originaltext in:
Hofmannsthal, Hugo von. "Brief des Lord Chandos an Francis Bacon." Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Prosa II. Hg. v. Herbert Steiner. Frankfurt 1976. S. 7-20. -- Erstdruck 1902 in Der Tag
e--Text von Nina Ort <http://www.lrz-muenchen.de/~nina.ort/chandos.htm>

Originally prepared for a Post-Doctoral M.A. Degree in German Studies

Divay, Gaby. "Erkenntnistheoretische Aspekte in Hugo von Hofmannsthals Chandos-Brief..".
e-Edition, ©November 2005
<http://gaby-divay-webarchives.ca/> Accessed ddmmmyyyy [browser preview: 25 p.]




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